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Künstlerporträts

Barbara Klemm

Die Ausstellung in der Ludwig Galerie im Schloss Oberhausen mit Fotografien 1967 bis 2019 von Barbara Klemm Anfang des Jahres 2023 hat mich sehr beeindruckt. Die weitere Beschäftigung mit der Fotografin Barbara Klemm führte mich u.a. zu dem hier vorgestellten Buch Künstlerporträts.

Bildband

Der Bildband im Format 25,5cm x 2,7cm x 35,2cm ist vor fast 20 Jahren im Verlag nicolai erschienen und für ca.58,- € heute noch neu erhältlich ist schon ein ordentlicher Klopper. Ich habe das Werk gebraucht beim Spezialisten für gebrauchte Bücher für rund 23,- € gekauft. Barbara Klemm ist eine der großen Fotografinnen Deutschlands. In ihrem ersten Porträtband versammelt sie Aufnahmen von fast 200 Künstlerinnen und Künstlern, die in vier Jahrzehnten entstanden sind: von Andy Warhol über Tina Turner bis Hans Werner Henze und Ingeborg Bachmann. Es gibt vier Kapitel I. Literatur und Philosophie, II. Musik, III. Bühne Film und Fotografie sowie IV. Bildende Künste.

Neben der dreiseitigen Einleitung des Autors Ingo SchulzeSich selbst auf der Reise sehen” ist das fast neunseitige Essay des Journalisten und Kunsthistorikers Wilfried WiegandBarbara Klemms Künstlerportraits” überaus lesenswert. Wiegands breite Auseinandersetzungen mit Portraits im allgemeinen und hier im besonderen war für mich doch sehr nachdenkenswert und Horizont erweiternd. Auch die einzelnen Künstlerbiografien der Porträtierten von Niclas Dewitz am Ende des Buches sind zwar knapp; aber äußerst hilfreich.

  • (c) 2004 Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin
  •  978-3-89479-157-8
  • 249 Seiten

Vita Barbara Klemm

Barbara Klemm wurde als viertes von sechs Kindern 1939 in Münster geboren und wuchs in einem Künstlerhaushalt in Karlsruhe auf. Ihr Vater war der Maler Fritz Klemm und lehrte als Professor an der Karlsruher Kunstakademie. Ihre Mutter, Antonia, Gräfin von Westphalen, war ebenfalls Künstlerin.

Das schnelle Erfassen der bildhaften Qualität eines Augenblicks hat Barbara Klemm früh gelernt, doch malen wollte sie nicht, sondern fotografieren. Dazu hat sicherlich u.a. auch die Dunkelkammer beigetragen, die es damals im Hause Klemm schon gab.

Barbara Klemm machte eine Ausbildung als Fotografin in einem Porträt-Studio und kam 1959 zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung, arbeitete zunächst im redaktionsnahen Fotolabor und der Klischeeerstellung. Darauf folgten mehrere Jahre als Fotojournalistin in freier Mitarbeit. Der Erfolg ihrer ersten Veröffentlichungen bei anderen Verlagen, ebneten den Weg auch für einen Aufstieg bei der FAZ. Anschließend war sie von 1970 bis zur Pensionierung 2005 als festangestellte Fotografin für die FAZ tätig. Ihre fotografischen Schwerpunkte liegen auf den Gebieten der Politik und des Feuilletons. Ihre Fotos gehen weit über die kurzlebige, das bloße Tagesgeschehen illustrierende „gewöhnliche“ Pressefotografie hinaus. Einige Ihrer Bilder sind unvergessene Ikonen. Künstlerische Schwerpunkte sind neben der Politik auch Landschaften, Reisen und Reportagen sowie die Kunst und da besonders Porträts.  

Ihre durchweg in Schwarz-Weiß veröffentlichten Bilder zeichnen sich durch eine besondere Qualität aus. Das bildjournalistische Handwerk ist die Basis ihrer Kunst. “Sie hat die journalistische Fotografie zur Kunst gesteigert, ohne dass sie sich je anders verstanden hätte, denn als fotografierende Berichterstatterin, Dokumentaristin oder Porträtistin.” Sie verbinde die dokumentarische Arbeit der Journalistin mit dem gestaltenden Blick der Künstlerin, heißt es in der Begründung der Jury, als sie siebzigjährig 2009 von der Stadt Frankfurt als erste Fotografin den Max-Beckmann-Preis für ihr Lebenswerk bekommt.

Barbara Klemm ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg und war bis 2020 Honorarprofessorin an der Fachhochschule Darmstadt. Seit 2010 ist sie Mitglied im Kuratorium des Kulturfonds Frankfurt RheinMain. Zahlreiche Preise, Orden und Auszeichnungen und noch mehr Ausstellungen begleiten ihren Lebensweg.

Methoden und Herangehensweisen

Besonders beeindruckend für mich sind Ihre Methoden und Herangehensweisen von denen Sie in dem einen oder anderen Interview erzählt. (Einige Links dazu in meinem vorherigen Beitrag hier im Blog). Einige Stichworte, Kurzzitate in diesem Zusammenhang sind: ‘Beobachten ist anstrengend‘, ‘Sich selbst zurücknehmen‘, ‘Vertrauen aufbauen‘, ‘Barrieren überwinden‘, ‘Dem Zufall nachhelfen‘, ‘Unauffällig, In Bewegung bleiben‘ ‘Respekt, die Würde ist unantastbar‘ etc. etc.

Der Türöffner FAZ und/oder der eigene Instinkt: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort und das Gespür für den richtigen Augenblick, oder den richtigen Augenblick danach – dem Zufall etwas nachhelfen sowie ihr künstlerischer Blick und last but not least ihre ausgefeilten handwerklichen Fertigkeiten sind ihre additiven Markenzeichen und haben über Jahrzehnte ein prall gefülltes Archiv mit unfassbar guten Bildern hervorgebracht.

Technik

Während Ihre männlichen Kollegen eher mit dicken, großen “eregierten” Teleobjektiven die Szene beherrschen und jeden Pickel und jede Falte der Fotografierten oft im Blitzlichtgewitter ins Bild holen, schaute Barbara Klemm lieber genauer hin und agierte meist eher am Rande mit unauffälligen kleinen Kameras, wie der Leica M. Bescheiden, unauffällig, ohne Assistenten und ohne großes Gepäck fängt sie mit dezenten Auslösegeräuschen Szenen ein, dokumentiert oder porträtiert, den magischen “richtigen” Augenblick erkennend.

Ausschließlich das verfügbare Licht (available Light) kein Blitz, kein Dauerlicht (außer der gelegentliche Schein der Lampe eines Kamerateams in speziellen Fällen) begleiten ihre Arbeitsweise.

Barbara Klemm ist der analogen Schwarz-Weiß-Fotografie in all den Jahren treu geblieben. Von der Festlegung der jeweils zum Einsatz kommenden Filme hinsichtlich ISO-Empfindlichkeit, Korn etc. über die Entwicklung der Filme, die Auswahl via Kontaktstreifen etc. hat sie insbesondere das Ausbelichten der Abzüge mit differenzierten Belichtungen via Abwedeln etc. als entscheidende Gestaltungsmöglichkeiten intensiv selbst genutzt. Bei diesen Prozessen vertraute sie lieber auf ihre eigenen Fähigkeiten und Tricks, statt auf Dienstleister.

Die über 200 Porträts

Barbara Klemm: „Ich bereite mich vor, ich les, was ich erfahren kann, über denjenigen, den ich porträtiere, damit ich auch eine Sicherheit für mich hab, dass ich auch ein Gespräch führen kann, und ich versuch demjenigen, den ich porträtier, eine gewisse Ruhe zu geben, dass er sich wohlfühlt.“ … „Sie können als Fotograf nie deprimiert sein oder schlechte Laune haben, weil sie dann nix sehen. “Quelle: Deutschlandfunk in einem Interview mit dem freien Berliner Journalisten Paul Stänner im November 2013

Die über 200 Porträts in dieser Sammlung tragen ihre Handschrift. Was macht viele der Porträts so besonders?

Die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Poträts sind persönlich und individuell. Man/frau hat stets den Eindruck ein authentisches Bild der abgebildeten Person zu sehen, oft in ihrem persönlichen Umfeld, oder einem Umfeld, das in einer Beziehung zu dem Anlass des Porträts von dem Protagonisten oder der Protagonistin steht.

Close-ups (Großaufnahmen) gibt es in der Sammlung fasr keine, auch head and shoulder close-up (Büste, nahe Einstellungen) kommen eher selten in der Sammlung vor. Es dominiert die Totale (long shot, wide shot) die Halbtotale (medium long shot, figure shot, full shot, complete view) oder die halbnahen Einstellungsgrößen. Dadurch kommt oft auch die Aktion, Bewegung etc. zur Geltung und natürlich mehr umgebender Bildinhalt ins Spiel.

In Interviews erzählte die Fotografin selbst davon, dass ihr beim Fotografieren Gespräche wichtig sind, um erst mal von der Kamera abzulenken. Ziel ist es außerdem eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, wenn das auch nicht immer gelingt oder gelingen kann. Alternativ kann das Arbeiten des/der Porträtierten im gewohnten eigenen Umfeld zu authentischen Bildern führen. Auch gehen, gestikulieren und/oder reden, erzählen lassen hilft von Fall zu Fall zu unverfälschteren oder individuellen und guten Ergebnissen zu kommen.

Wertschätzung und Kritik

Wertschätzungen und Kritiken zu den unterschiedlichsten Arbeiten und Werken der Barbara Klemm gibt’s zahlreich, da möchte ich mich nicht Übergebühr einreihen. Eine Rede anlässlich der Verleihung des Ordens POUR LE MÉRITE für Wissenschaft und Künste im Jahr 2011 trifft die Situation der dokumentarischen Fotografie aus meiner Sicht sehr treffend. Deshalb möchte ich auf die Laudatio von Durs Grünbein, Lyriker und Essayist und die anschließende Antwort von Barbara Klemm verlinken.

In einer für mich sehr treffenden Rezension zu Ihren Portraits lese ich u.a.: „In der Fotografie läuft alles auf den Augenblick hinausdies stellt schon Ingo Schulze, welcher die Einleitung für den Porträtband verfasste und ebenfalls in dem Buch porträtiert wurde, zu Beginn fest. Barbara Klemm beherrscht die Kunst, diese Momente durch ihre einzigartigen Fotografien festzuhalten.Selbst wenn man mit dem Aussehen oder dem Namen des Porträtierten nichts anfangen kann, zerstört dies nicht die unglaubliche Aussagekraft und das faszinierende Motiv des ausdrucksstarken Augenblickes, der das Wesentliche der Person zentralisiert. … Barbara Klemm schafft es, durch ihr untrügliches Gespür auf individuelle Weise den Charakter, die Art, sowie das Werk der Personen in einer lebendigen Augenblicksaufnahme festzuhalten.” Quelle: Antonia Derleth im Journal Lesepunkte (01.04.2023)

Fazit

Fast alle Portraits in dem empfohlenen Buch sind für mich wahre Meisterstücke, die auf vielfältigste Weise die Portrait-Kunst und Arbeit der Barbara Klemm verdeutlichen: analoge Schwarz-Weiß-Technik von der eigenen Entwicklung bis zum differenziert belichteten Abzug, ihre Herangehensweisen und der Umgang mit den Protagonisten, Einbindung des Anlasses und (Arbeits-)umfeldes und last but not least ihre überragende Bildgestaltung!

Bild 57181 | Barbara Klemm, Künstlerportrais
Lizenz-Infos zum vorstehenden Bild: Foto Gustav Sommer | abgebildetes Buch Barbara Klemm, Künstlerporträts, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin © 2004, Bildrechte-Titelbild © Barbara Klemm 

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